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Mobilität der Zukunft muss auch produziert werden

Konventionelle Antriebstechnologien werden noch Jahrzehnte eine dominante Stellung am Automarkt haben, sagt Fraunhofer-Research-Austria-Chef Wilfried Sihn. Neue Technologien, Geschäftsmodelle und Änderungen im Mobilitätsverhalten bringen aber auch enorme Herausforderungen für traditionelle Wertschöpfungsketten. Kärntner Unternehmen sehen gute Chancen, davon zu profitieren.

Schon in seinem Begrüßungsstatement bei Vortrag und Diskussion zum Thema „Mobilität der Zukunft – wird es dann noch ein Auto geben?“ hatte IV-Kärnten-Präsident Timo Springer betont, was für die österreichische Auto-Zulieferbranche auf dem Spiel steht: 24 Mrd. Euro Produktionswert, 40 Mrd. Euro indirekte Effekte, über 80.000 hochwertige Arbeitsplätze! Er sei sich im Moment nicht sicher, ob der Umbruch in der Welt der Mobilität gut geplant sei, oder man sich hier nicht vielmehr von einer Art Trial and Error Prinzip leiten lasse.

Eigenes Auto? Zu teuer!

Fraunhofer-Research-Austria Geschäftsführer und TU-Wien-Professor Wilfried Sihn beruhigte zunächst: „Ich sehe kein Ende vom Auto“. Aber Sihn dokumentierte die allgemeine Verhaltensänderung etwa am Beispiel Carsharing: 54 Prozent derer, die es nützen haben in Deutschland ihr eigenes Auto verkauft, weil sie es zu wenig genutzt haben, 53 Prozent war es auch schlicht zu teuer. Junge Menschen wollen ihr Geld nicht mehr in ein eigenes Auto investieren, so Sihn. Wenn sie Mobilität brauchen, entscheiden sie sich pragmatisch für das Naheliegende: vom E-Scooter bis zu den „Öffis“. Ihr Mobilitätskonsum ist maßgeblich von mobilen IT-Systemen und -plattformen mitbestimmt.

Aber auch technologisch tut sich einiges. Kritisch sieht Sihn die Elektromobilität. Es beginnt mit der problematischen Zulassungsstatistik, in der sich unter E-Mobilität immer noch 95 Prozent Hybridfahrzeuge verstecken. Von so manchem Autohersteller würden E-Autos nur deshalb entwickelt und produziert, weil man anders die neuen Vorgaben für den maximalen CO2-Ausstoß der Fahrzeugflotte nicht erreiche.

Problemfall Elektroauto in Polen

Einiges Aufsehen erregte Sihn dann mit einer Tabelle, die die Umweltfreundlichkeit verschiedener Antriebsarten anhand dreier Kriterien vergleicht:

  • CO2-Belastung bei der Fahrzeugherstellung
  • CO2-Belastung beim Fahren
  • CO2-Belastung des Treibstoffs

Am schlechtesten schneidet da ein Elektroauto ab, das mit aus Kohle erzeugtem Strom (z.B. in Polen) betrieben wird. Ein Tesla braucht laut Sihn 12 Jahre, um seinen CO2-Rucksack aus der Produktion loszuwerden. Das Recyclingproblem der Batterien werde sich auch mit der nächsten Generation der Feststoffbatterien nicht verbessern. Sihn resümiert, dass 2030 noch mehr als die Hälfte der neu zugelassenen Autos einen Verbrennungsmotor haben und ein großer Teil der E-Autos Hybride sein werden. Die Wasserstofftechnologie (Brennstoffzelle) werde sich wohl zunächst nur bei Bussen und LKW durchsetzen. Hier sieht er vor allem das Problem der teuren Infrastruktur. Eine Wasserstofftanksäule koste derzeit rund eine Mio. Euro.

Chancen für Zulieferer

Was kommt auf die Auto-Zulieferer zu? Sihn sieht große Probleme für all jene, die auf Diesel-Technologie setzen. Deren Anteil an den Neuzulassungen gehe 2030 international laut BCG und JP Morgan Chase auf nur noch fünf Prozent zurück. Prinzipiell habe man drei Möglichkeiten: Entweder man verbleibe im traditionellen Geschäft und in einem brutalen Verdrängungswettbewerb. Oder man diversifiziere wie etwa der Auspuffhersteller Sebring, der mit dem Sound-Engineering ein spannendes neues Geschäftsfeld eröffnet habe. Dritte Möglichkeit: man begebe sich in Nischen. Wer jedenfalls in die E-Mobilität einsteigen wolle, der solle das jetzt tun. Die Autohersteller suchen derzeit händeringend Lieferanten. Sorgen bereitet Sihn vor allem die Abhängigkeit des Rests der Welt von chinesischer Batterietechnologie. Sein positives Fazit: Keine Sorge, „auch die Mobilität der Zukunft muss produziert werden.“

Kärntner Unternehmerpersönlichkeiten betonten in der anschließenden und von Werner Scherf geleiteten Diskussion die Chancen: Günther Zehenthofer von Magna Auteca mit Standorten in Kärnten und der Steiermark setzt auf mehr Elektronik und mechatronische Systeme, die eine immer größere Rolle spielen. Das Unternehmen produziert u.a. Motoren für Klimaanlagen. Größte Herausforderung derzeit: Das finden entsprechender Fachkräfte, die neue Produkte entwickeln und umsetzen können.

Ähnlich sieht es Michael Velmeden von cms electronics. Der Anteil der Elektronik im Auto habe sich von 10 Prozent im Jahr 2000 auf 30 Prozent heute erhöht. Neuestes Produkt des Unternehmens sind Soundmodule für immer leisere Autos. Velmedens große Herausforderung: Bleiben die großen Autohersteller in auch für mittelständische Unternehmen erreichbaren Regionen (Europas)?

Grün laden braucht Erneuerbare

Bernd Neuner beschäftigt sich bei der Kelag mit dem Ausbau der Ladeinfrastruktur. Er zerstreut Bedenken, eine Vollelektrifizierung des Fahrzeugparks (plus 15 Prozent beim Stromverbrauch) könne nicht bewältigt werden. Das werde ohnehin schrittweise passieren. Man fokussiere derzeit auf intelligente Lösungen, die das Ladeverhalten steuern können. Sorgen bereiten ihm allerdings die Rahmenbedingungen für den Ausbau der Erneuerbaren Energie, nicht nur in Kärnten. Er kritisiert die langen Genehmigungsverfahren für Wind- oder Wasserkraftprojekte.

Chancen für unsere Forschung

Christina Hirschl von den Silicon Austria Labs sieht riesige Chancen für das Kärntner Knowhow im Bereich der Sensorik, vor allem beim autonomen Fahren. Die Quantensensorik sei noch mitten in der Grundlagenforschung und weit weg von der Produktion. Die photonische Sensorik, die Komponentenherstellung, Künstliche Intelligenz, Big Data, neue Städtekonzepte, in vielen relevanten Bereichen spiele Österreich und Kärnten vorne mit. Sihn warnte allerdings davor, sich in der Forschung und der Förderung zu verzetteln, sondern die Stärken z.B. in der Steuerungselektronik zu stärken. Das autonome Fahren sieht er jedenfalls noch lange in Kombination mit dem konventionellen Fahren und daher in seinen Möglichkeiten eingeschränkt: „Die Maschine agiert weitgehend fehlerfrei…“

Foto Eggenberger (Abdruck honorarfrei)

 

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