Fluchtmigration und Integration

Tag für Tag kommen Hilfe suchende Menschen nach Österreich, die Fluchtmigration ist eine große Herausforderung für Österreich. Asyl suchende Menschen können aber auch eine Chance für das Land bedeuten, sie müssen dazu aber gezielt in Arbeitsmarkt und Gesellschaft integriert werden. Die Industriellenvereinigung (IV) formuliert für Österreich und Europa Lösungsansätze in der Flüchtlingskrise.

Die Flüchtlingskrise in Österreich

Von Jänner bis Dezember 2015 wurden in Österreich 90.000 Asylanträge gestellt (in Deutschland 425.035 und in Europa rechnet man mit knapp einer Million Asylanträgen. Rund 971.000 reisten über das Mittelmeer in die EU weiter). 75 Prozent der Asylwerber in
Österreich sind Männer, rund die Hälfte der Antragsstellerinnen und Antragssteller ist unter 25 Jahre alt, etwa jede
bzw. jeder Dritte kommt aus Syrien. Die Anerkennungsrate liegt bei 40-50 Prozent, 2016 rechnet man mit einer
höheren Anerkennungsquote.

Den aktuellen Andrang an Asylwerberinnen bzw. -werber und die entsprechenden Anerkennungen wird Österreich
nicht lange bewältigen können. Spätestens Ende 2016 müssen die europäischen Mechanismen greifen und die Krise
in geordnete Bahnen gelenkt sein. Bis Ende 2017 werden in Österreich geschätzte 100.000 Menschen Asyl bekommen
haben und 70.000 zusätzliche Personen am Arbeitsmarkt sein. Um diese Lage bewältigen zu können, braucht es
so schnell als möglich eine Reihe von Maßnahmen.


Unterbringung: Es braucht unbürokratische Wege und rasche Entscheidungen, damit Quartiere und Wohnräume
für Asylwerberinnen bzw. -werber zur Verfügung stehen. Einheitliche Regelungen hinsichtlich der Grundversorgung
sind erforderlich, die technischen und baulichen Standards sind der Notsituation anzupassen.

Rasche Verfahren: Asylverfahren müssen mit hoher Qualität, rasch und effizient abgewickelt werden. Die personelle
Ausstattung sowie die logistische und technologische Kompetenz der Behörden sind laufend zu verbessern.

• Die Möglichkeit von Kurzverfahren für gewisse Herkunftsländer, deren positiver oder negativer Asylbescheid mit
großer Wahrscheinlichkeit gegeben ist, soll geprüft werden. Solche „Fast Track-Verfahren“ gibt es bereits in der
Schweiz (in der Schweiz werden Anträge innerhalb von 48 Stunden erledigt, Der rasche Rückgang der Asylzahlen hat die Schweizer Behörden ermutigt, das Schnellverfahren auch für Bürger aus sechs afrikanischen Ländern einzuführen, darunter Tunesien, Nigeria und Senegal. Weil es aufwändiger ist, ihre Identität und Herkunft zweifelsfrei zu klären und ihnen Reisepapiere zu beschaffen, werden ihre Anträge in einem „Fast-Track-Verfahren“ geprüft, das zwischen 35 und 65 Tagen dauert), Norwegen (in Norwegen werden bereits seit 2001 Asylanträge von Personen aus sicheren Staaten innerhalb von 48 Stunden erledigt. Im Sommer 2012 zog die Schweiz nach, zunächst für Bürger von Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina) hat diese 2001 eingeführt und Deutschland prüft gerade.

• Das Recht auf Asyl oder das Angebot sich aus anderen Gründen in Österreich niederzulassen, bedingt die Verpflichtung
der aktiven Integration
. Wer also eine realistische Chance auf Asyl hat, ist verpflichtet, unmittelbar
mit den angebotenen Integrationsprogrammen zu beginnen. Wer abgelehnt wird, ist rückzuführen. Dies ist aktuell ein problematischer offener Punkt: Viele Personen ohne Anrecht auf Asyl können weder in ihr Heimatland noch in das erste EU-Land, in das sie eingereist sind, rückgeführt werden. Zu diesem Thema sind eigene Überlegungen notwendig.

Integration verlangt von den zuwandernden Menschen die europäischen Grund- und Menschenrechte, etablierte
gesellschaftliche Werte sowie die rechtsstaatlichen Prinzipien der Gesellschaft anzunehmen. Zugleich werden ihre
Kulturen respektiert und ein hohes Maß an gesellschaftlicher Partizipation ermöglicht.

Wertevermittlung: Zuwandernde müssen sich mit dem österreichischen Wertesystem vertraut machen können.
Neben Informationsveranstaltungen braucht es dazu ein breites Angebot, unter anderem durch Gemeinden und
zivilgesellschaftliche Organisationen (u.a. Sport-, Kultur- und lokale Vereine). Sicherzustellen ist auch die Vermittlung
und Akzeptanz des österreichischen Rechtssystems inklusive unseres Zivil- und Strafrechts.

 

Asylwerberinnen und -werber bringen unterschiedliche Potenziale und Kompetenzen mit. Eine Analyse ihrer
Qualifikationen zeigt zwei Gruppen: Eine nennenswerte Anzahl von Personen (vor allem aus Syrien, Irak und Iran)
die über einen der Matura vergleichbaren Abschluss oder mehr verfügen; eine zweite große Gruppe (vor allem aus
Afghanistan) deren Qualifikation auf Pflichtschulniveau oder darunter liegt. Beide Gruppen brauchen dringende
Sprach- und Bildungsmaßnahmen, die auf die Integration in den Arbeitsmarkt zielen: Während bei der ersten
Gruppe Tempo und Flexibilität der Maßnahmen entscheidend sind, benötigt die zweite Gruppe grundlegende und
längerfristige Ausbildungsmaßnahmen.

Sprachoffensive: Jede Person, die nach Österreich kommt, beginnt so rasch als möglich (im ersten Monat ihrer
Ankunft), die deutsche Sprache zu lernen. Der Spracherwerb ist verpflichtend und bei Asylberechtigten im
Rahmen der Mindestsicherung auch mit Sanktionen verbunden. Es braucht parallel zum Asylverfahren flächendeckend
qualitativ hochwertige Deutsch- und Alphabetisierungskurse. Darauf aufbauend sollen schon vor dem
Arbeitsmarkteintritt berufsspezifische Deutschkurse angeboten werden.

Kompetenzen: Das Ermitteln von Kompetenzen muss bereits parallel zum Asylverfahren und vor dem aktiven
Arbeitsmarktzugang geschehen: Was kann die Person, die nach Österreich kommt? Welche Qualifikationen und
Kompetenzen bringt sie mit? Auch der konkrete Bedarf an Nachschulung und Deutschkursen muss rascher erhoben
und gemanagt werden.

• Geeignete Kompetenztestungen müssen also flächendeckend und innerhalb der ersten Wochen durchgeführt
werden: Sinnvoll ist ein zweistufiges Verfahren, das einen ausführlichen Onlinetest mit einem darauffolgenden
Beratungsgespräch verbindet. Je nach Ausgang des Tests bietet sich ein individuelles Kompetenzcoaching oder
der Kompetenzcheck des AMS als Einstieg in die Weiterbildungsmaßnahmen an.

Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen: Das Gesetz ist bereits in die Begutachtung gegangen,
wir plädieren für eine rasche Umsetzung des Entwurfes. Durch einheitliche und unbürokratische Anerkennung
von im Ausland erworbenen Qualifikationen kann eine ausbildungskonforme Beschäftigung ermöglicht werden.
Qualifizierungsoffensive: Bereits während des Asylverfahrens läuft aufbauend auf der Kompetenzermittlung eine
Qualifizierungsoffensive. Dies würde sowohl für Asylwerberinnen bzw. -werber und für Asylberechtigte die Vermittlung
an einen geeigneten Arbeitsplatz und den Kontakt zu Unternehmen deutlich beschleunigen und erleichtern.
Die Qualifizierungsoffensive zielt vor allem auf gering qualifizierte Personen und steht auch beschäftigungslosen
Personen aus anderen Bevölkerungsgruppen offen.

Jugendliche Asylwerberinnen und -werber: Es muss auch jenen Jugendlichen möglich sein Pflichtschulkurse
zu besuchen, die das Pflichtschulalter überschritten haben. Auch die Maßnahmen des geplanten Programms
„Ausbildung bis 18“ sollen jugendlichen Asylwerberinnen bzw. -werber zugänglich sein.

Arbeitsmarktzugang: Die Erhöhung des Tempos bei der Arbeitsmarktintegration senkt das Risiko, in die Warteschleife
zur Erwerbslosigkeit zu geraten. Der Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerberinnen bzw. -werber soll
sechs Monate nach Einbringung des Asylantrags möglich sein, dies soll auch für den Zugang zu Lehrstellen in
allen Berufen gelten (Ersatzkraftverfahren). Für Personen mit hoher Anerkennungswahrscheinlichkeit kann die
Wartefrist auf drei Monate verkürzt werden.

Umstieg in Rot-Weiß-Rot-Karte: Wer im Kompetenztest seine besonderen Fähigkeiten nachweisen kann, soll von
der Asylschiene in das System der RWR-Karte umsteigen können. (Vorbild Schweden5; der BDA schlägt ähnlich für
Deutschland vor, Fachkräften unter enger Voraussetzung den Zugang zur Erwerbsmigration zu ermöglichen.)

Einstiegsjobs: Um den Arbeitseintritt für die Zuwandernden zu erleichtern, sollen Einstiegsjobs geschaffen werden.
Dabei geht es um befristete Jobmöglichkeiten mit einer anschließenden Perspektive, regulär übernommen
zu werden. Zur Konzeption dieser neuen Beschäftigungsmöglichkeit sollen die Erfahrungen aus Deutschland und
Österreich (u.a. Kombilohn-Modell, Eingliederungshilfe) berücksichtigt werden.

Lehrlingsoffensive: Der Zugang zu Lehrstellen soll in allen Berufen möglich sein, nicht nur in denen, wo ein nachgewiesener Lehrlingsmangel besteht. Die überregionale Vermittlung und Begleitung soll ausgebaut werden (Pilotprojekt WKÖ im Moment für ca. 150 Lehrlinge).

Buddies und Mentoring als Integrationscoaching: Asylwerberinnen bzw. -werber und Asylberechtigte werden auf
dem Weg in die Erwerbsarbeit von einer Mentorin bzw. einem Mentor begleitet. Dazu sind neue zivilgesellschaftliche
Systeme mit engagierten Freiwilligen einzurichten.

Neue Strukturen und Ressourcen: Derzeit stellen alle Unterstützungs-, Bildungs- und Arbeitsmarktmaßnahmen
auf die Zeit nach Erhalt des Asylbescheids ab. Mehr Tempo bei Qualifizierung und Integration braucht für die Zeit
davor neue Strukturen, Ressourcen und Kompetenzen oder eine Ausweitung des Auftrags und der finanziellen und
personellen Ausstattung des AMS.
 

Viele der genannten Maßnahmen zur Integration von Flüchtlingen brauchen gesellschaftliches Engagement, aber auch
öffentliche Investitionen. Langfristig wird sich aber beides gesellschaftlich wie volkswirtschaftlich bezahlt machen.

 

Weitere Informationen finden Sie hier

 

Kontakt: IV/Alexandra Schöngrundner

Verwandte Themen