Ehe Helmenstein sein Netz der globalen Zusammenhänge über europäische und österreichische Entwicklungen warf, hatte IV-Kärnten-Präsident Timo Springer die grüne Energiewende im Visier. Sie sei nicht zu Ende gedacht, sie wolle zu schnell zu viel. Die Industrie bekenne sich dazu, das müsse aber Schritt für Schritt anhand zur Verfügung stehender Technologien gelingen. Helmenstein unterstrich das später differenziert, wenn er meinte: Das Kapital und die Technologien für die Wende seien vorhanden, im administrativen Bereich würden aber ebenso Ressourcen fehlen wie bei den Fachkräften.
Die Fachkräfte waren auch der zweite große Schwerpunkt in Springers Neujahrsansprache. Kärnten sei bis 2030 das einzige Bundesland mit einem Bevölkerungsrückgang. Er identifizierte Bildung und konkret den Bildungscampus als Schlüsselfaktor für die Trendumkehr. Konzepte lägen am Tisch, sie müssten allerdings umgesetzt werden. Die möglichen Auswirkungen des Jahrhundert-Infrastrukturprojekts Koralmbahn brachte er zugespitzt auf den Punkt: „Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder Graz wird Vorstadt von Klagenfurt und Villach oder umgekehrt.“ Um Kärntens Standortpolitik insgesamt voranzubringen, bat er die anwesenden Regierungsmitglieder (Gaby Schaunig, SPÖ und Martin Gruber, ÖVP), die Wirtschafts- und Standortagenden endlich zusammenzufassen und die Landesgesellschaften darunter entlang einer Matrix zu organisieren.
China nicht mehr Weltwachstumslokomotive
Danach baute IV-Chefökonom Christian Helmenstein in drei Schritten dramaturgisch geschickt sein Szenario für den nächsten Aufschwung auf. Er startete mit einem kleinen Exkurs in die Geschichte der Wirtschaftskrisen. Die Frequenz ihres Auftretens habe sich zwar nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich verlängert, in letzter Zeit allerdings wieder verkürzt. Das machte er nicht nur an Covid und der Energiekrise fest, sondern auch an der Entwicklung in China: „Die Globalisierung mit China an der Spitze hat uns langanhaltende Wachstumsphasen mit hoher Stabilität beschert. Wenn das chinesische Wirtschaftswachstum markant zurückgeht, büßt die mulitpolare Welt eines ihrer Wachstumszentren ein.“ Die Bevölkerung werde sich dort bis 2.100 halbieren. Gravierender noch sei, dass durch die Ein-Kind-Politik eine „Implosion der Erwerbsbevölkerung“ um drei Viertel zu erwarten sei. Der Wendepunkt sei bereits 2013 überschritten worden, so Helmenstein. China werde zu einer demografisch alternden Volkswirtschaft, ehe es zur wohlhabenden Volkswirtschaft geworden sei. Man werde sich auf ein für ein Schwellenland übliches Wirtschaftswachstum zwischen drei und fünf Prozent einpendeln.
Rückkehr der Knappheit
Nicht nur die Krisen führen also wirtschaftlich zu einer „Rückkehr der Knappheit“, wie es der IV-Chefökonom ausdrückt. Ein weites Feld für politische Intervention, aber auch „phantastische Perspektiven“ für unternehmerische Initiative. Wie man Krisen erfolgreich nütze, erläuterte Helmenstein dann ausgerechnet am Beispiel Österreich. So überraschend es angesichts des hohen Vernetzungsgrades der österreichischen Wirtschaft mit Deutschland und Italien klingen mag: Wertmäßig stammen 69 Prozent der Vorleistungen für sämtliche heimischen Warenexporte aus Österreich selbst! Hier sei ein stark vernetztes Ökosystem entstanden, das aber durch die hohen Energiekosten in Gefahr geraten könnte.
Gleichzeitig ist er zuversichtlich, dass die staatliche Intervention hier stabilisierend wirken werde. Inklusive Energiekostenzuschuss II gebe Österreich knapp sieben Prozent des BIP für die Abfederung der Energie- und Inflationskrise aus. Man erreiche hier gemeinsam mit Deutschland im Europavergleich einen Spitzenwert. Helmenstein ist aber nicht nur deshalb zuversichtlich, dass es aufwärts geht. Er zählt u.a. folgende weitere Fakten auf:
Österreichs fähige Manager
Und dann sind da ja noch Österreichs fähige Managements, die Krise können. Am Schluss seines Vortrags wartet Helmenstein mit einer überraschenden, erstmals präsentierten Auswertung auf, die zeigt, wie Kontinuität die Führungsetagen von Österreichs Top-100-Unternehmen prägt: Vier von zehn Top-Managerinnen und Managern sind konjunkturell regelrecht orkanerprobt, haben sie doch schon die COVID-Lockdowns, die Eurokrise und die Große Rezession infolge der Lehman-Insolvenz erfolgreich bewältigt.
Ehrung für Peter Gauper
Am Schluss des Programms überreichten LH Peter Kaiser, LHStv. Gaby Schaunig und Landesrat Martin Gruber Raiffeisen-Landesbank-Vorstand Peter Gauper das Große Ehrenzeichen des Landes.
Der Neujahrsauftakt in der Schleppe-Eventhalle, zu dem sich rund 140 Mitglieder und Gäste der IV Kärnten einfanden, wurde von Marie Gruber und Vivienne Frimmel, zwei Sängerinnen der Singakademie Carinthia, umrahmt. Am Keyboard begleitete sie Roman Merwa. Zuvor hatten schon etliche die Möglichkeit einer Führung durch die Schleppe Brauerei genutzt.