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GAS-STOPP GEFÄHRDET DIREKT BIS ZU 15.700 ARBEITSPLÄTZE IN KÄRNTENS INDUSTRIE

Embargo von russischem Gas hätte verheerende Folgen für Kärntens Industrie und Wirtschaft, bestätigt eine Studie des Econmove-Instituts. Trügerisches Konjunkturbild, vorsichtiger Blick in die Zukunft.

„Die Industrie ist der stärkste Verbraucher von Erdgas in Kärnten. Rund zwei Drittel des Volumens von insgesamt 1,876 MWh geht auf ihr Konto“, steckt Timo Springer, Präsident der Industriellenvereinigung Kärnten die Dimensionen ab, die ein möglicher Gas-Stopp zur Folge hätte. „Dabei konzentrieren sich die größten Abnehmer vor allem auf Bereiche der grundstoffnahen Industrie wie Zement, Papier, Eisen- und Stahlerzeugung oder Bergbau, die wiederum zwei Drittel des Erdgases innerhalb der Industrie verbrauchen“, so Springer bei einer Pressekonferenz in Klagenfurt. Es handle sich zumeist um industrielle Leitbetriebe, die Schlüsselpositionen in Liefernetzwerken einnehmen. Es sei daher davon auszugehen, dass sie in der Art eines Dominoeffekts andere Branchen in massive Schwierigkeiten bringen, sollten sie aufgrund eines Ausbleibens von russischem Gas nicht mehr produzieren können, warnt Springer. Einen Gas-Stopp könne sich die Kärntner Wirtschaft genauso wenig leisten wie die Österreichische. Man solle daher genau darauf achten, wer jetzt etwa auf EU-Ebene am lautesten für ein Gasembargo eintrete: „Da stecken oft handfeste wirtschaftliche Interessen von Ländern dahinter, die wenig bis gar nicht von russischem Erdgas abhängig sind und sich vom Embargo Wettbewerbsvorteile erwarten. Ein Embargo würde der europäischen Volkswirtschaft insgesamt irreparablen Schaden zufügen“, betont Springer. Der IV-Kärnten-Präsident bezeichnet ein mögliches Gasembargo als wahren „Konjunkturkiller“. Alles, was die Betriebe über ihre wirtschaftliche Situation melden, sei immer unter dem großen Vorbehalt kontinuierlicher Gaslieferungen zu sehen.

 Horrorszenarien eines Gas-stopps
Anna Kleissner vom Institut „Econmove“ präzisierte anschließend die Konsequenzen der Abhängigkeit der Kärntner Industrie von russischem Gas. Kleissner hat zwei Szenarien durchgerechnet.

  • Szenario 1: Ganz besonders dramatisch wären die Auswirkungen eines Gas-Stopps im so genannten Hochtemperaturbereich, also dort, wo eine Prozesswärme über 200 Grad Celsius nötig ist. In den Branchen Steine/Erden/Glas, Eisen- und Stahlerzeugung, Maschinenbau und Papier/Druck gäbe es keine Substitutionsmöglichkeit von Erdgas. Hier wären 212 Unternehmen mit 11.167 Beschäftigte betroffen und pro Woche 21,2 Mio. Euro an Bruttowertschöpfung. Zähle man die Auswirkungen in der vorgelagerten Lieferkette dazu, müsse man noch einmal knapp 8 Mio. Euro dazu rechnen.
  • Szenario 2: Hebt man die Einschränkung auf Hochtemperaturprozesse auf, und betrachtet durch Erdgas erzeugte und nicht substituierbare Prozesswärme allgemein, dann ergibt sich folgendes Bild: Hier sind laut Kleissner im Extremfall 520 Unternehmen mit insgesamt 15.700 Beschäftigten und einer Bruttowertschöpfung von pro Woche 26,2 Mio. Euro betroffen. Dazu kämen auch hier noch knapp 11 Mio. Euro Bruttowertschöpfung, wenn man die vorgelagerte Lieferkette berücksichtige.

Timo Springer appellierte daher an die Bundesregierung, alles zu tun, um diese Horrorszenarien zu verhindern. Gleichzeitig betonte er aber auch, dass schon die „normalen“ Energie-Preiserhöhungen für viele Unternehmen existenzbedrohend seien. Er erneuert die Forderungen der Industriellenvereinigung auf Bundesebene nach Entlastungspaketen. Das reiche von einer Strompreiskompensation bis zur Abschaffung der kalten Progression und der Senkung der Lohnnebenkosten.

Gar nicht zufrieden zeigt sich Springer mit dem Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren bzw. der dafür nötigen Leitungsinfrastruktur in Österreich und Kärnten: die umständlichen und lange dauernden Genehmigungsverfahren, der künstlich erzeugte Konflikt mit dem Naturschutz, die kontraproduktiven Regulierungen der Länder – hier seien vom Klimaministerium klare Entscheidungen und Leadership gefragt, wenn man die Abhängigkeit von russischem Erdgas abbauen und die Klimaziele ohne gravierende Wohlstandsverluste erreichen wolle.

 Trügerisches Konjunkturbild
IV-Kärnten-Geschäftsführerin Claudia Mischensky präsentierte anschließend die mit den von Präsident Springer geäußerten Einschränkungen durchaus positiven Konjunkturbefunde des ersten Quartals 2022: „Es beginnt mit einer nach wie vor hervorragenden Auftragslage. Rund 80 Prozent der Unternehmen bezeichnen sie derzeit als gut, nur 11 Prozent als schlecht. Ganz ähnlich die Geschäftslage, die aktuell von genau drei Vierteln der Betriebe als gut, von 12 Prozent als schlecht beurteilt wird.“ Das unsichere wirtschaftliche Umfeld schlage sich dann eher beim extrem vorsichtigen Blick in die Zukunft nieder, so Mischensky. Bei der Entwicklung der Produktion bis zur Jahresmitte gehe sich für 80 Prozent der antwortenden Betriebe nur noch ein „durchschnittlich“ aus, bei der Beurteilung der Geschäftslage bis in den Herbst steht da nur noch bei acht Prozent ein „gut“. „Die hohen Rohstoff- und Energiepreise knabbern an der Ertragslage. In sechs Monaten trauen sich hier nur noch sieben Prozent ein ‚gut‘ zu“, so Mischensky.

Der Beschäftigtenaufbau in der Kärntner Industrie gehe indessen ungebremst weiter. In den nächsten drei Monaten wollen 43 Prozent der Betriebe neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen. Hier habe sich gegenüber dem letzten Quartal kaum etwas verändert. Trotz Krisenszenarien bleibe das Finden geeigneter Fachkräfte eine konstante Herausforderung für die Kärntner Industrie. Nach Branchen seien übrigens laut Mischensky wenig Auffälligkeiten zu beobachten. Von den beiden größten Branchen liege die Metalltechnische Industrie in ihren Beurteilungen tendenziell etwas unter dem Schnitt, die Elektronikindustrie darüber. Zusammenfassend sprach Mischensky von einem „trügerischen Konjunkturbild mit vorsichtigem Blick in die Zukunft“.   

 An der Konjunkturumfrage vom 1. Quartal 2022 haben 56 Kärntner Industriebetriebe mit insgesamt 18.585 Beschäftigten teilgenommen. 

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