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Grüne Transformation braucht mehr Zeit

Dass der österreichische Zeitplan in Richtung Klimaneutralität halten wird, glaubt im real-existierenden, regulatorisch-ökonomischen Umfeld kaum noch jemand. Es fehlt das professionelle Management der Transformation der Energiesysteme, war man sich bei den Innovationsgesprächen der Innoregio Süd Steiermark und Kärnten kürzlich in der Energie Steiermark in Graz einig.  

An Commitment und Vorleistungen der Industrie im Süden Österreichs fehlt es jedenfalls nicht. Die beiden Präsidenten Kurt Maier (IV Steiermark) und Timo Springer (IV Kärnten) verwiesen auf die mit energieintensiven Industriebetrieben und den beiden großen regionalen Energieversorgern sowie wissenschaftlicher Unterstützung erarbeiteten klaren Bedarfsanalysen und -prognosen sowie auf den für die Steiermark schon vorliegenden grünen Masterplan. Der zuständige Kärntner Energielandesrat Sebastian Schuschnig kündigte die entsprechende Kärntner Energiestrategie für „Anfang 2025“ an. Die Eckpunkte sind klar: ein drastisches Sinken des Anteils von Erdgas am Energiemix, gleichzeitig ein starker Anstieg des Verbrauchs von elektrischem Strom. In Kärnten wird es bis 2040 sogar zu einer Verdoppelung kommen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Energie leistbar und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe gewährleistet bleibe, betonten beide Präsidenten.

Johannes Benigni vom internationalen Energieberatungsunternehmen JBC Vienna hält die Klimaziele weder auf internationaler noch auf österreichischer Ebene für erreichbar. Die Transformation werde schlicht mehr Zeit brauchen. Minutiös schilderte er, wie die Energiemärkte und Gasnetze funktionieren und welche Fehler man in Teilen Europas und in Österreich gemacht habe, indem man etwa bei der Gasversorgung einseitige Abhängigkeiten zugelassen und damit explodierende Kosten, Inflation und Verlust von Wettbewerbsfähigkeit in Schlüsselindustrien in Kauf genommen habe. Gas werde noch sehr lange wichtig als Backup für Erneuerbare bleiben, weil der verfügbare Wasserstoff wohl zunächst vor allem stofflich in Industrieprozessen eingesetzt werde. Abgesehen davon, dass die Frage nach einer adäquaten Transportinfrastruktur noch weit von praktikablen Geschäftsmodellen entfernt sei.

CO2-Steuern streichen
Dazu kämen noch versagende Marktmechanismen wie etwa die berüchtigte Merit Order, auf die man nicht flexibel genug reagiert habe. Er fordert daher dringend ein professionelles Management in der Transformation der Energiesysteme auf allen Ebenen, für Österreich einen Energie- und Handelsminister. Als erste Akutmaßnahme ist er für eine Streichung von CO2-Steuern, denn die Industrie habe keine Möglichkeit auszuweichen. Sie verliere an Wettbewerbsfähigkeit und werde hier nicht mehr investieren. Markus Ritter von der Stahl- und Walzwerk Marienhütte GmbH möchte mit den Steuern auch gleich den teuren Handel mit den Emissionszertifikaten loswerden, der Investitionsvolumina in den Klimaschutz binde.

Und dann sind da noch die leidigen gesetzlichen Rahmenbedingungen, die sowohl von Vertretern der energieintensiven Industrie als auch von den Energieversorgern kritisiert wurden. Benigni verweist darauf, dass in Deutschland für den Erneuerbaren-Ausbau längst ein „übergeordnetes öffentliches Interesse“ definiert wurde, was in Österreich fehle. Von Weberknechten bis zu traumatisierten Käfern schlägt der Naturschutz die absurdesten Volten, um Ausbauprojekte zu verzögern und zu verteuern. Auch dazu gab es bei den Innovationsgesprächen zahlreiche Beispiele.

Windkraft auch in den Bergen
In Kärnten wolle die FPÖ mit einer Volksbefragung am 12. Jänner sogar den Ausbau von Windkraftanlagen auf Almen und Bergen landesgesetzlich untersagen, beklagt Sebastian Schuschnig. Seine Kollegin Barbara Eibinger-Miedl kann hingegen schon auf 115 Anlagen in der Steiermark verweisen. Damit ist man das windkraftstärkste Bundesland in den Alpen. Danny Güthlein, Vorstand des Kärntner Energieversorgers Kelag, betonte, wie wichtig die Windkraft sei, um mit der Erzeugung möglichst nahe an die Verbrauchskurve zu kommen. Der integrierte österreichische Netzinfrastrukturplan des Klimaministeriums sehe für die alpinen Bundesländer eine Zubaukapazität von fünf Terawattstunden vor. Auch René Haberl, Vorstand der Treibacher Industrie AG, kritisiert die Widerstände, die langen und aufwändigen Verfahren beim Ausbau von Erneuerbaren und Netzen. Sein Unternehmen habe das bis dahin größte Kärntner Photovoltaik-Kraftwerk nur auf eigenem Industriegrund realisieren können.

Netzkosten optimieren
Die in letzter Zeit aufgeflammte Diskussion über die massiv steigenden Netzkosten für elektrischen Strom versuchen weder Danny Güthlein noch sein Gegenüber von der Energie Steiermark, Martin Graf, zu beschönigen. Letzterer setzt sich für innovative Lösungen ein, um die Kosten in den Griff zu bekommen. Er nennt es „Flexibilitäten nutzen“. Da geht es um die Abnahme von Industriewärme oder um Leistungsbegrenzungen zu Spitzenzeiten, um die Netzkapazität zu entlasten. Die wissenschaftliche Basis etwa für die passenden KI-Projekte sei in der Steiermark vorhanden. Er stellt aber auch klar: „Wir müssen über die Ziele reden. Je schneller wir die Klimaziele erreichen wollen, desto teurer wird es“, stößt er ins selbe Horn wie Benigni. Güthlein unterstreicht noch einmal, wie wichtig vor allem schnellere Verfahren für den effizienten und damit kostengünstigen Netzausbau sind.

Zuversicht zum Schluss
Dem problematischen Umfeld zum Trotz dokumentierte eine „Menti-Umfrage“ die überwiegende Zuversicht im Publikum, dass die Chancen der grünen Transformation gegenüber den Risiken dominieren. Claudia Mischensky und Christoph Robinson, die Geschäftsführerin der IV Kärnten und der Geschäftsführer der IV Steiermark, kündigten in ihrem Fazit der Veranstaltung an, dass ihre Organisationen zusammen mit ihren Mitgliedsunternehmen weiter beharrlich und faktenbasiert an den strategischen Grundlagen für die grüne Transformation der Industrie arbeiten werden.