Die Coronakrise habe RHI Magnesita 25 Prozent des Geschäfts gekostet. Zu Beginn habe man in den USA, in China und Südamerika nicht einmal zu den Schlüsselindustrien gehört, die essentiell sind um auch die Wirtschaft aufrecht zu erhalten, obwohl ohne Feuerfest-Produkte in drei bis sechs Wochen weltweit Stahl-, Zement-, Glas- oder Aluindustrie stehen. Man habe sich Anfang März 2020 ernsthaft Sorgen um die Existenz der Firma gemacht, weil man die Liquidität schwinden sah. Selten spricht ein Manager so offen über die existenzielle Krise seines Unternehmens wie RHI-Magnesita-CEO Stefan Borgas anlässlich seines Vortrags nach der Vollversammlung der IV Kärnten am 24. Juni in Klagenfurt.
Selten bekommt man aber auch quasi in Echtzeit Einblick, wie ein Weltkonzern nach einem solchen Schock total umgebaut wird. Im Frühajhr 2020 startete RHI Magnesita ein Projekt, das nicht auf die Krise reagiert, sondern das Unternehmen proaktiv in ein neues, wettbewerbsfähigeres, vielleicht auch unangreifbareres umwandelt. Dazu holte man sich laut Borgas 30 vor allem junge Leute nach Wien, um sechs Monate an der Neugestaltung des Unternehmens zu arbeiten. „Am ersten Oktober stand die neue Organisation“, berichtet Borgas heute stolz. Und ein umfangreiches Maßnahmenpaket: Massive Investitionen in Datensicherheit, in die Dezentralisierung, in neue Anlagen und eine neue Supply-Chain. Unzählige Produkte, unterschiedlichste Herausforderungen, mit Digitalisierung im Fokus der Strategie. Allein 20 Mio. Euro wurden in die Cloud-Infrastruktur investiert. Man will seinen Kunden in Zukunft nicht mehr nur Feuerfest-Steine liefern, sondern Hitzemanagement anbieten, deren Prozesse dadurch effizienter machen. Dazu sind Daten nötig, die von Sensoren aufgenommen werden, die in einer Umgebung mit Temperaturen von 1.500 Grad und mehr immer noch funktionieren. Die dazu nötigen Technologien haben RHI Magnesita offen gemacht für Neues.
Dekarbonisierung: Jede Idee willkommen
Den noch viel radikaleren Umbau kündigte Borgas unter dem Stichwort „Dekarbonisierung“ an. Für 5,5 Mio. Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr ist RHI-Magnesita zuständig, die Hälfte in eigenen Fabriken, die andere bei Kunden. Wie RHI Magensita CO2-neutral werden will? Bis 2025 seien 15 Prozent der Emissionen über Recycling zu reduzieren, stellt Borgas in Aussicht. Dazu habe man eine Art firmeninterne CO2-Steuer eingeführt. Aber darüber hinaus seien neue Technologien gefragt. 25 Mio. investiert der Konzern bereits, 50 weitere Mio. Euro stellt RHI Magnesita nun zusätzlich zur Verfügung, um an der Entwicklung von Technologien zur forschen, mit den CO2 gebunden und weiterverwendet werden soll: „Jeder, der eine Idee hat, ist willkommen“, wirft Borgas in die Runde der Zuhörer.
Dem Standort Radenthein streut er Rosen. Dort investiert der der Weltmarktführer aktuell weitere 50 Mio in den Bau des „Digital Flagship Plants“, dem digitalen Vorzeigewerk des Konzerns. Die Gründe dafür seien vielfältig: Einer ist in der Kärntner Mentalität angesiedelt: „Die Leute graben sich hier nicht ein, sie stellen sich den Herausforderungen“. Auch wenn das bedeute, dass man sich in China ansehen müsse, wie man sein Werk sauber halte. Ein weiterer Grund: die große Unterstützung durch die Gemeinde bei der Etablierung der Ausbildungsstätte in modernen Lehrberufen. RHI Magnesita ist ja eines der ersten Unternehmen, das auch Lehre mit Studium anbietet.
Qualifikation und Erfahrung zählt
Damit befand man sich auch schon mitten in der von Ute Pichler moderierten hochkarätigen Diskussion über „Investieren in Kärnten“. Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende der Infineon Technologies Austria AG, kam zu einem ähnlichen Ergebnis: Beim globalen Screening der für die 1,6-Mrd.-Euro-Investition infrage kommenden Standorte konnte Villach in drei Bereichen punkten: bei Qualifikation und Erfahrung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, beim österreichischen System der F&E-Förderung und schließlich bei der guten Kooperation mit den lokalen Behörden. Für die Großinvestition wurde eine eigene Taskforce ins Leben gerufen, die etwa Verfahren mit hoher Geschwindigkeit im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten umsetzte.
Auch KMU investieren kräftig
Auch kleinere Unternehmen honorieren das: Stefan Aichholzer von Austroflex lobt die Flexibilität in der Bürokratie und die Unterstützung des Kärntner Wirtschaftsförderungsfonds KWF. Das Unternehmen ist u.a. auf Rohrisolierungen spezialisiert und in den letzten sechs Jahren um 100 Prozent gewachsen. Seit 2017 wurden rund 10 Mio. Euro investiert.
Franz Nössler investiert mit seinem Partner René Rassnitzer gerade 2,5 Mio. Euro in einen neuen Standort von PriorIT in Pörtschach, der eine völlig neue topmoderne Arbeitsumgebung für die 35 Mitarbeiter schaffen wird. Hier hat man sich bewusst gegen die Auslagerung der Software-Entwicklung entschieden. Nur in Kärnten herrsche der richtige Spirit. Er schätzt die stabilen Verhältnisse, das gute Gesundheitssystem. Auch bei den Datenleitungen brauche Kärnten den Vergleich mit Regionen wie Deutschand nicht zu scheuen. Größter Kritikpunkt ist die hohe Steuerbelastung.
Einhellig wird von allen Diskutanten der Fachkräftemangel angesprochen. Mehrfach wird am Standort „mehr Ambition“ (Borgas) gefordert. Sabine Herlitschka meint man könne mehr aus dem Bildungs- und Innovationsland machen. Stefan Borgas bläst in ein ähnliches Horn, wenn er Europa ganz allgemein „Erfinden statt Verwalten“ rät. Er fordert „technologische Durchbrüche“, Herlitschka spricht von „technologischer Souveränität“. Abschließend verständigten sich Podium und Publikum auf mehr Zusammenarbeit, hatte Borgas doch die dezentrale und regionale Vernetzung als besonders wichtig für den Umbau seines Unternehmens eingestuft.
Glasfaser braucht Förderkulissen
Zur Begrüßung hatte sich der eben wiedergewählte IV-Kärnten-Präsident Timo Springer beim Vorstand für die Unterstützung seines Teams für weitere drei Jahre bedankt und kurz Bilanz über eineinhalb Jahre normale Standortpolitik und eineinhalb Jahre Coronakrise gezogen. Danach sprach er sich für Investitionen in die klassische Infrastruktur aus. Vor allem Breitband liegen ihm am Herzen („mehr 5G als 3G“). Hier sekundierte Landeshauptmann-Stellvertreterin Gaby Schaunig, die sich eine Änderung der Förderkulisse wünschte. Sie lobte den Schulterschluss zwischen Industrie und Politik. Wirtschaftslandesrat Sebastian Schuschnig unterstrich die Bedeutung des unabhängigen Beratungsgremiums „Think Carinthia“, das auf Initiative der IV Kärnten eingerichtet wurde und Kärnten auf dem Weg aus der Krise begleitet.
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