„Kreditwirtschaft und Eigenkapital – und da vor allem die Börse – sind die standortrelevanten Säulen der Investitions- und Unternehmensfinanzierung in Österreich. Im Hinblick auf die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen scheint es daher geboten, diese Säulen möglichst zu stärken“, so der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Christoph Neumayer, am heutigen Mittwoch im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Robert Ottel, Präsident des Aktienforums, anlässlich der Präsentation einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) zum Thema „Quellen der Unternehmensfinanzierung in Österreich“ von Wirtschaftsforscher Thomas Url. Auf den genannten Bereichen müsse daher folgerichtig auch der politische Fokus liegen. Umso mehr sei es zu begrüßen, dass der Bereich Unternehmensfinanzierung als zentrales Element zur Standortsicherung im Regierungsprogramm abgebildet ist. „Gerade eine spürbare Entlastung in Form einer Senkung der Körperschaftsteuer (KöSt) wäre ein wirkungsvoller Hebel“, so Neumayer, der hinzufügte: „Wir bewegen uns bei der KöSt deutlich über dem europäischen Durchschnitt von knapp 22 Prozent. Mit einer zeitnahen Senkung würden wir zumindest ins Mittelfeld aufschließen.“ Im Ergebnis hieße das eine gestärkte Eigenkapitalquote, Anreize für Investitionen sowie vor allem auch für ausländische Direktinvestitionen. „Nicht zuletzt würden aufgrund der Erhöhung der Lohnsumme durch eine KöSt-Senkung auch Löhne und Gehälter – also die Beschäftigten – profitieren“, so der IV-Generalsekretär, der damit auf eine Win-Win-Situation für Menschen und Unternehmen hinwies.
Neben Aspekten der Unternehmensfinanzierung nahm Neumayer überdies zu einer kürzlich von der Arbeiterkammer (AK) an sämtliche börsenotierte heimische Unternehmen versandten Umfrage zum Thema „Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz“ (NaDiVeG) Stellung: „Die Vorgehensweise der AK mutet einigermaßen befremdlich an. Denn Unternehmen, die an der Umfrage nicht teilnehmen möchten, wird offen mit der Veröffentlichung ihrer Nicht-Teilnahme gedroht“. Es sei aber wohl das gute Recht eines jeden Unternehmens, wie auch jeder Privatperson, eine absolut freiwillige, rechtlich vollkommen unverbindliche Umfrage nicht zu beantworten, ohne Konsequenzen im Sinne einer Rufschädigung fürchten zu müssen. Es dränge sich der Verdacht auf, die AK wolle nahelegen, dass nicht-teilnehmende Betriebe vermeintlich etwas zu verbergen hätten. „Ein solches Schüren von Misstrauen ist einem guten Einvernehmen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite sicher nicht förderlich“, so Neumayer, der klarstellte: „Die österreichischen börsenotierten Unternehmen erfüllen sämtliche gesetzlich vorgeschriebenen Berichtspflichten, insbesondere auch die nichtfinanzielle Berichterstattung sowie deren Veröffentlichung. Zur Beantwortung ihrer Fragen kann die AK daher jederzeit auf besagte Berichte zurückgreifen.“
„Die Börse und generell das Thema Kapitalmarkt müssen nicht nur für die Unternehmensfinanzierung, sondern auch für Privatanleger wieder an Attraktivität gewinnen. Wir müssen endlich wegkommen, von der immer wiederkehrenden, populistischen Diskussion über Spekulation und stattdessen über Tatsachen reden“, stellte Robert Ottel, Präsident des Aktienforums klar. So seien Börse und Kapitalmarkt als seriöse Finanzierungsinstrumente unverzichtbar für heimische Unternehmen, hätten aber auch privaten Anlegern viele Möglichkeiten zu bieten, die aufgrund von Unwissen oder aber mangels Attraktivität zu wenig genutzt werden. Auch hier gebe es bestimmte Hebel, die von der Politik leicht zu betätigen wären. „So war die Anhebung der Kapitalertragsteuer (KESt) auf Dividendenzahlungen ein fatales Signal an Privatanleger auf dem heimischen Kapitalmarkt, das dringend zurückgenommen werde muss“, sprach sich Ottel für die Reduzierung der KESt auf 25 Prozent aus. Ebenso brauche es die Wiedereinführung der Spekulationsfrist, um echte Spekulation von langfristiger Investition klar zu unterscheiden sowie die Gleichbehandlung von Eigen- und Fremdkapital, so Ottel, der abschließend beim Thema Aufsichtsreform für die Sicherstellung von Effizienz und Transparenz plädierte. Hier dürfe es durch einen allfälligen Personaltransfer von OeNB-Mitarbeitern zur Finanzmarktaufsicht (FMA) keinesfalls zu einer Kostenmehrbelastung für die beaufsichtigten Unternehmen kommen.
In Österreich dominiert nach wie vor die Eigenfinanzierung durch Eigenkapital der Gesellschafter eines Unternehmens. Knapp die Hälfte der Finanzverbindlichkeiten österreichischer Unternehmen wird über Eigenkapital aufgebracht. Die sonstigen Beteiligungspapiere dominieren diese Finanzierungsform vor den börsenotierten Aktien. Die zweite wichtige Finanzierungsquelle sind langfristige Kredite. Sie haben etwa dieselbe Bedeutung wie die sonstigen Anteilspapiere. Neue Formen der Eigenkapitalfinanzierung – wie etwa Crowdfunding, Business Angels, Private Equity und Venture Capital – verhalfen den nichtfinanziellen Unternehmen bis 2017 zu einem Finanzierungsvolumen von nur 2,5 Mrd. Euro oder 0,3 Prozent der gesamten Bilanzsumme von 808 Mrd. Euro. Neue bzw. staatliche Formen der Fremdfinanzierung – wie etwa geförderte Kredite und Crowdlending – brachten es gemeinsam auf nur 2,4 Mrd. Euro oder 0,3 Prozent der Bilanzsumme.