Kärntner Industrie ist vergleichsweise gut durch die Krise gekommen. Konjunkturerholung setzt sich mit Einschränkungen fort. Der Neustart nach der Krise erfordert aber die dringende Behebung von schon länger bestehenden Strukturdefiziten.
„Einzelne spektakuläre Großprojekte verhindern leider nicht, dass der Wirtschaftsstandort Kärnten als ganzer im Regionsvergleich zurückfällt. Wir brauchen daher dringend neue strukturpolitische Impulse“, so IV-Kärnten-Präsident Timo Springer bei einer Pressekonferenz. Sowohl beim Wachstum der Bruttowertschöpfung als auch der Beschäftigung hätten sich zwischen den Jahren 2013 und 2018 – also vor der Krise – fast alle Bundesländer deutlich dynamischer entwickelt als Kärnten. Es bestehe dringender Handlungsbedarf. Springer freut sich daher, dass Wirtschaftslandesrat Sebastian Schuschnig die Anregung der IV Kärnten aufgenommen und den prominent besetzten Think Tank „Think Carinthia“ ins Leben gerufen habe. Der werde nun auf Basis der Begleitforschung zum Wirtschaftsbericht 2019 gemeinsam mit der Landesregierung an Kärntens Weg aus der Krise arbeiten.
Kärnten verliert den Anschluss
Anna Kleissner von Economica Kärnten legte anschließend den „Standortcheck“ aus ihrer Begleitforschung zum Wirtschaftsbericht des Landes vor. Der Wertschöpfungsanteil Kärntens in Österreich liege immer noch unter dem Bevölkerungsanteil (5,4 zu 6,3 Prozent). Das Bundesland sei seit der Finanzmarktkrise von seinem Wachstumspfad abgewichen und hinter Vergleichsregionen zurückgefallen. Überdurchschnittliches Wachstum sei eigentlich nur in der Produktion („Herstellung von Waren“) gelungen. „Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig“, so Kleissner: „Es fängt beim geringen Spezialisierungsgrad an, setzt sich im hohen Anteil wachstumsschwächerer Sektoren fort und reicht schließlich bis zu den ungenutzten Potenzialen in Wertschöpfungsnetzwerken. Dazu kommt die schrumpfende Bevölkerung und die Abwanderung der Jungen“ Kärnten laufe Gefahr, den Anschluss zu verlieren, präzisierte Kleissner. Es gelte, bestehende Potenziale zu heben und regionalwirtschaftliche Impulse zu setzen.
Dass Kärnten trotz dieser Defizite in der Krise selbst bisher relativ geringere Rückgänge zu verzeichnen hatte, begründen Kleissner und Springer einerseits mit dem günstigen Branchenmix (hier vor allem der auch pandemiebedingt stürmischen Entwicklung in der Elektronik) und einer im Verhältnis zu vielen anderen Regionen doch gelungenen Sommersaison im Tourismus (Quelle: WIFO, Die Wirtschaft in den Bundesländern III. Quartal 2020).
Roadmap für DAS Technologieland
Der IV-Kärnten-Präsident befürchtet allerdings, dass Kärnten mit fortschreitender Normalisierung nach der Pandemie wieder in alte Entwicklungsmuster zurückfallen werde, ja dass sich die bestehenden Struktur-Defizite im erhöhten Wettbewerbsdruck noch verschlimmern könnten. Die aktuell bescheidene Exportstatistik sei ein klarer Hinweis in diese Richtung (minus 8 Prozent beim Export 2019 gegenüber 2018). Springer fordert daher auf Basis des Befunds von Economica die Umsetzung der von der IV Kärnten schon vor drei Jahren vorgelegten Roadmap für DAS Technologieland im Süden Österreichs. Sie decke sich weitgehend mit den Empfehlungen von Economica:
Zusammenfassend sieht Springer jedenfalls die Stunde der Standortpolitik gekommen, um dem Bundesland ein zukunftsfähiges und nachhaltiges neues Profil zu geben. Dann werde auch der in jeder Hinsicht dringend benötigte qualifizierte Zuzug gelingen. Die derzeit bedrohliche demografische Entwicklung sei jedenfalls umkehrbar. Er bietet „Think Carinthia“ und der Landesregierung eine intensive Zusammenarbeit an.
Industriekonjunktur im 1. Quartal 2021
IV-Kärnten-Geschäftsführerin Claudia Mischensky präsentierte die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage. Kärnten liege hier durchaus im Bundesschnitt. 69 Prozent der antwortenden Betriebe sprechen derzeit von einer guten Geschäftslage, nur 6 Prozent von einer schlechten. 77 Prozent beurteilen den Auftragsbestand als gut. Alle Signale deuten laut Mischensky auf einen kräftigen Aufschwung hin. Erstaunlich sei das 10-Jahres-Hoch bei der Beschäftigung: 46 Prozent der Betriebe wollen neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen. Die andere Seite des Aufschwungs manifestiere sich hingegen in den nachfragebedingt massiv steigenden Rohstoffpreisen, von denen nur ein kleinerer Teil der Betriebe profitiere. Der andere Teil leide hingegen unter der schlechteren Ertragslage, weil er die steigenden Preise nicht eins zu eins an die Kunden weitergeben könne.
Dazu komme die Vorsicht in der Beurteilung der Geschäftslage bis Herbst. Da sind nur noch 21 Prozent der Betriebe optimistisch. Hier spiegle sich die Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Pandemie wider. Die Branchen der Industrie bieten diesmal ein ziemlich einheitliches Bild. Einzige Ausnahme ist nach wie vor Kärntens Metalltechnische Industrie, die schon in der Krise stark betroffen war und weiter eine sehr heterogene Entwicklung zeige, schloss Mischensky.