Wirtschafts-, Finanzpolitik & Recht

Kärntens große Herausforderung

Fazit nach zweieinhalb Stunden Vorträgen und Diskussion darüber, wie Kärnten jünger wird: Die jungen Talente, die eine innovative digitale Wirtschaft braucht, sind außerhalb der Metropolen immer schwerer zu bekommen und zu begeistern. Die Situation verschärft sich, weil die Generation der Babyboomer, die bis etwa 2030 in Pension gehen wird, etwa doppelt so groß ist, wie die Generation, die ihr nachfolgt.

IV-Kärnten-Präsident Timo Springer sieht Kärnten dennoch am guten Weg. Anlässlich der bedrohlichen Situation, dass das Bundesland bis zum Jahr 2030 35.000 Personen weniger im erwerbsfähigen Alter haben werde, verbessere sich die Kommunikation zwischen Unternehmen und Politik. Das Verständnis für die Herausforderungen und Möglichkeiten, Kärnten jünger zu machen, sei gewachsen. Er halte es mit Albert Schweitzer: „Mich interessiert vor allem die Zukunft, denn das ist die Zeit, in der ich leben will.“ Und diese Zukunft ist für Springer die gestärkte Twin-City Klagenfurt-Villach mit dem gemeinsamen Uni-Campus.
Symbolträchtig hatte die IV Kärnten ihre Mitglieder und Gäste am 13. Jänner in den neuen Standort des Robotics-Instituts von Joanneum Research in den Klagenfurter Lakesidepark eingeladen. Dessen Leiter, Michael Hofbaur, konnte gleich zur Begrüßung Positives berichten: das einzige zertifizierte europäische Prüflabor für Robotersicherheit zieht internationale junge Menschen an.

Junge hassen Monotonie
Wie viel dazu gehört, die Jüngsten aus der so genannten „Generation Z“ für einen Arbeitsplatz zu begeistern, machte dann allerdings Jugendkulturforscherin klar. Es gebe im Wesentlichen zwei Typen von Jugendlichen:
Die einen suchen Stabilität. Sie orientieren sich am Bestehenden und Beständigen. Sie seien sowohl unter Lehrlingen als auch unter Uni- und FH-Absolventen zu finden. Sie sind kaum an beruflicher Mobilität interessiert, trennen messerscharf zwischen Beruf und Privatleben und finden ihre Motivation im Materiellen. Einmal für ein Unternehmen gewonnen, sind sie jedenfalls deutlich leichter zu halten. 
Ganz anders die kleine Gruppe der Erneuerer (zwischen 15 und 25 Prozent der Jugendlichen), die offen für Neues, geistig und räumlich mobil sind. Sie sind Performance-orientiert, lieben Verantwortung und Status, brauchen spannende Aufgaben und Zeitsouveränität, sind aber schwer zu halten.
Zu führen sind beide Gruppen nicht einfach. Die Monotonietoleranz sinkt, der Arbeitsplatz wird immer stärker als Wohlfühlumgebung interpretiert. Die Work-Life-Balance spielt eine deutlich größere Rolle. Positiv: Lebenslanges Lernen, digitale Skills und eine gewisse Flexibilität dürfen in der Rubrik „Stärken“ verbucht werden.
A propos Status: Unternehmens- und Standortimage zählen bei der Jobsuche der Generation Z enorm. Kärnten werde als Wirtschaftsstandort kaum wahrgenommen, kritisiert Großegger und empfiehlt eine völlig neue Image-, Kontakt- und Vernetzungsstrategie.

Wider die Donut Dörfer
Manuel Slupina vom Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung sieht Deutschland und Österreich auf einem ähnlich schwierigen Weg in die moderne Wissensgesellschaft. Innovation gelinge vor allem dort, wo junge Kreative, Forschung und Wirtschaft zusammentreffen. Das werde vor allem in den großen Städten passieren, erläutert er anhand mehrerer Karten über Wanderungsbewegungen, wobei die Situation in Ostdeutschland deutlich dramatischer ist als im Westen oder in Österreich. Am mobilsten sind eindeutig die jungen Studierenden. Doch Achtung: Universitätsstandorte sind nicht unbedingt ein Garant dafür, dass die jungen Leute nach dem Studium bleiben. Das zeigt Slupina etwa am Beispiel von ostdeutschen Städten wie Wismar oder Cottbus. Eine deutliche Warnung auch in Richtung Kärnten, sich für die Zeit nach dem Studium mehr zu überlegen. In Deutschland hätten sich hier etwa duale Studien mit Praktikumseinheiten in Unternehmen sehr gut bewährt.
Einen anderen spannenden Trend zeigte Slupina anhand des Umlandes von Berlin auf. Immer mehr junge Kreative machen sich aus der immer teurer werdenden Großstadt auf in verwaiste so genannte „Donut-Dörfer“ mit verfallenden Zentren. In Großgruppen von 100 Leuten besiedeln sie verlassene Plattenbauten, Klöster, große Bauernhöfe, ja sogar Krankenhäuser und erfüllen sie mit neuem urbanem Leben.

Junge mit Perspektiven
In mehreren von Birgit Rumpf-Pukelsheim (ORF Kärnten) moderierten Diskussionsrunden wurden die Inhalte der Vorträge verdichtet. Lukas Hutter, ein Wissenschaftsnetzwerker und Systembiologe, ist nach dem Studium in Oxford zurück in Villach und zieht hier ein internationales Netzwerk auf. Die junge Rechtsanwältin Christiane Stockbauer hat in Wien deutlich bessere berufliche Perspektiven. Sie bemängelt die schlechte Verkehrsanbindung Kärntens und das fehlende Image als Wirtschaftsstandort, spricht Kärnten aber durchaus auch Möglichkeiten zu. Die junge deutsche Vanessa Elpe ist mit ihrem Partner nach Kärnten gekommen. Sie hat sich „in Kärnten verliebt“, aber erst nachdem ihr das Land (in der Personalabteilung bei Infineon) auch berufliche Perspektiven zu bieten hatte.

Landespolitik setzt auf Standortmarketing
Die Kärntner Politik gab sich einsichtig. Landeshauptmann Peter Kaiser räumte ein, dass es bisher nicht gelungen sei, in der Außenwahrnehmung Kärntens verständlich zu machen, dass das Land zu 55 Prozent von der Industrie lebe. Deshalb werde ja jetzt auch in gemeinsamer Anstrengung das Standortmarketing neu aufgesetzt. Als Bildungsreferent kann er dem von der IV Kärnten geforderten zentralen Bildungscampus in Kärnten viel abgewinnen. Auch sein Regierungskollege Sebastian Schuschnig verwies auf das neue Standortmarketing, will aber auch die Erreichbarkeit durch den Öffentlichen Verkehr verbessern. Schuschnig lobte das Projekt Koralmbahn. All jene, die sich vor einem Abfluss von Knowhow fürchten, schrieb er ins Stammbuch: „Die Koralmbahn fährt in beide Richtungen!“

Klagenfurt und Villach wollen „Twin-City“
Den Bürgermeistern von Klagenfurt und Villach, Maria-Luise Mathiaschitz und Günther Albel, ist die Entwicklung des Zentralraums, der Twin-City, ein großes Anliegen. Sie wollen gemeinsam eine Metropolregion von europäischer Dimension werden. Erste Projekte sind schon formuliert. So will man endlich ein Öffi-Ticket für den Zentralraum.

Die harte Extra-Meile
Die Vertreter der Wirtschaft, Sandra Wiesinger von Imerys und Johannes Eder von Humanomed, sehen Kärnten zwiespältig. Für Wiesinger ist es hier deutlich schwieriger, Fachkräfte zu finden. Man müsse in seinen Bemühungen immer „die Extra-Meile“ gehen. Auch sie spricht die Themen Image, Mobilität und Infrastruktur an, lobt aber auch die Zusammenarbeit mit dem Carinthia International Center, das sich um ausländische Mitarbeiter von Unternehmen oder Bildungsinstitutionen in Kärnten kümmert. Eder findet in Kärnten paradoxerweise derzeit noch leichter IT-Spezialisten als etwa in Wien, was sich aber demografiebedingt ändern werde. Von außen gewinne er sie hingegen nur ganz schwer. Eder appelliert auch an die Unternehmerschaft, bessere Gehälter zu zahlen. Kärnten weise immer noch die niedrigsten Einstiegsgehälter aus.

Mitschnitt Neujahrsauftakt 2020

 

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