Wirtschafts-, Finanzpolitik & Recht

Kärntner Industriekonjunktur: Erste Krisenphase gut überstanden

Trotz des enormen sektoralen Schadens von fast 430 Mio. Euro beurteilen mehr als zwei Drittel der Betriebe die Geschäftslage derzeit als gut. Für die Entwicklung bis zur Jahresmitte ist man weniger optimistisch. Präsident Springer verlangt differenzierte Öffnungsstrategie aus Lockdowns.

„Die Kärntner Industrie hat sich trotz sektoralen Schadens von laut Economica-Berechnungen*) rund 430 Mio. Euro gut von der ersten Phase der Corona-Krise erholt. Das labile Umfeld zwischen dem Wegbrechen ganzer Branchen wie des Tourismus, hoher Arbeitslosigkeit, Mängeln in der Pandemiebekämpfung und der Impfstrategie bewirkt jedoch große Vorsicht in der Einschätzung der Entwicklung für die nächsten Monate“, fasst IV-Kärnten-Präsident Timo Springer die Stimmung der aktuellen Konjunkturumfrage der Kärntner Industrie (4. Quartal 2020, Vorschau auf die Entwicklung bis zum Halbjahr 2021) zusammen. 67 Prozent der Betriebe melden derzeit eine gute Geschäftslage, 20 Prozent eine schlechte. In der Beurteilung der Situation in sechs Monaten sinkt der Positivwert jedoch auf nur noch 18 Prozent, während sich 67 Prozent gerade ein „Gleichbleibend“ zutrauen.

Interessant auch die Detailergebnisse: Beachtliche 66 Prozent der Kärntner Industriebetriebe schätzen ihre Auftragslage als „gut“ ein, aber nur 55 Prozent die Auslandsaufträge. Da mache sich ein sukzessiver und schleichender Rückgang der Exporte bemerkbar, so Springer. Einer der wesentlichen negativen Einflussfaktoren dafür seien die massiven Reisebeschränkungen durch Corona. Springer appelliert daher an die Bundesregierung, Personen aus der Industrie mit grenzüberschreitenden beruflichen Reisen prioritär zu impfen. An ihnen hängen die Exporterfolge, die Produktionsleistungen und die Beschäftigung in den nächsten Monaten.

Beschäftigung gleichbleibend
Die zunehmende Skepsis über die wirtschaftliche Entwicklung lässt sich ähnlich wie bei der Geschäftslage auch in den Umfrageergebnissen zur Ertragssituation ablesen. Während laut Springer derzeit noch 51 Prozent der Betriebe die Erträge positiv bewerten, sind es in der Prognose für die Jahresmitte nur noch 20 Prozent. Wenig Bewegung sieht man in der Beschäftigung: „80 Prozent der Kärntner Industriebetriebe wollen ihre Mitarbeiterstände gleich lassen“, zitiert der IV-Kärnten-Präsident die Umfrage. Das sei zweifellos auch eine Folge der bisher gelungenen Kurzarbeitsregelung in Österreich.

Elektronik voran
Kein homogenes Bild bieten in der aktuellen Umfrage die Branchen der Industrie: „Vorneweg segelt die Elektro- und Elektronikindustrie, wo 89 Prozent der Betriebe die Geschäftslage derzeit als gut bezeichnen“, kommentiert Springer die Selbsteinschätzung jener Branche, die derzeit wohl am stärksten vom mit der Krise verbundenen Digitalisierungsboom profitiert. Durchwachsen präsentiert sich hingegen Kärntens zweitstärkste Branche, die Metalltechnische Industrie: „Sowohl bei der Geschäftslage als auch bei den Auf- und Erträgen liegen die Negativmeldungen jeweils über der Hälfte der antwortenden Betriebe“, zeigt sich Springer besorgt. Die Schwierigkeiten in der Autoindustrie, die Digitalisierungsrückstände, die coronabedingt brüchigen Zulieferketten, es gebe viele Erklärungsansätze. Klar sehen werde man hier wohl erst nach der Krise.

„Sehr erfreulich entwickelt sich auch Kärntens drittstärkste Industriebranche, die Holzindustrie. Hier beurteilen im Augenblick 87 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Betriebe die Geschäftslage positiv. Innovative Technologien, Nachhaltigkeit und Internationalisierung, hier setzt sich trotz Krise ein Aufwärtstrend fort“, so Springer. Etwas weniger optimistisch zeige sich hingegen die Chemische Industrie. Das scheint aber eher ein saisonales Thema zu sein. Beurteilen laut Springer aktuell 50 Prozent die Geschäftslage als „gut“, so steigt dieser Wert in sechs Monaten auf 55 Prozent, womit die Chemische Industrie hier alle anderen Branchen überflügelt.

„Unlock The Country“
Abschließend unterstreicht der IV-Kärnten-Präsident seine Forderung nach einer völlig neuen Strategie in der Bekämpfung der Corona-Pandemie, die auf einer möglichst raschen Durchimpfung der Bevölkerung basiere. Seien die vulnerablen Gruppen geimpft, könne man auch auf weitere generelle Lockdowns verzichten. Wie von Experten mehrfach erklärt, solle man nicht nur die 7-Tages-Inzidenz, sondern auch die Belegung der Normal- und Intensivbetten in den Coronastationen zum Maßstab für neue Maßnahmen heranziehen. Wenn überhaupt, dann sei im Falle von Clustern nur noch lokal „zuzusperren“. Geimpfte, Getestete und Genesene (die drei „Gs“) sollten hingegen alle Freiheiten genießen dürfen. Um das entsprechend umsetzen zu können, verlangt Springer die rasche Etablierung von digitalen Info-Systemen, um eine differenzierte Öffnungsstrategie zu ermöglichen. Unter dem Motto „Unlock the Country“ gelte es, dafür blitzschnell die gesetzlich-organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen.

*) Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Economica, Christian Helmenstein, hat die Ergebnisse der Studie Mitte Dezember in einer Online-Pressekonferenz Kärntner Journalisten vorgestellt: https://kaernten.iv.at/de/themen/wirtschaftspolitik/2020/im-jahr-2021-kommt-der-aufschwung/

Interviews 
Präsident Timo Springer steht sehr gerne für (telefonische) Interviews zur Verfügung.
Wir bitten um Anmeldung: 0463-56 615-0