Industriestrategie Kärnten

Die fünf Handlungsfelder für den Industriestandort Kärnten

Kärnten muss dringend seine Strukturdefizite aufarbeiten, also Wertschöpfungsketten verdichten, MINT-Absolventen steigern, innovativer werden und sich als Industrie- bzw. Technologiestandort besser verkaufen, um für junge Menschen attraktiver zu werden.


„Die gute Nachricht ist, dass Kärnten bisher im Vergleich zum übrigen Österreich gut durch die Krise gekommen ist“, freute sich IV-Kärnten-Präsident Timo Springer bei einer Pressekonferenz in Klagenfurt. „Die weniger gute, dass Kärnten mit massiven Strukturproblemen zu kämpfen hat, die durch erfreuliche Großinvestitionen allerdings verdeckt werden. Daher haben Präsidium und Vorstand der IV Kärnten intensiv an einer Roadmap für den Standort gearbeitet. Ziel: Kärnten soll zum 5-Sterne-Industrie- und Technologieland in Österreich und darüber hinaus werden“, so Springer.

Kärnten muss aufholen

IV-Kärnten-Geschäftsführerin Claudia Mischensky fasste anschließend kurz den Befund der Wirtschaftsforscher (Economica, Joanneum Research, WIFO) in relevanten und dringend verbesserungswürdigen Bereichen zusammen:

  • Kärntens Wirtschaft performt im Regionsvergleich unterdurchschnittlich. Auch das Wachstum im Bundesland ist im Dekadenvergleich unterdurchschnittlich, aber mit "Ausreißern" in einzelnen Jahren. Gemessen am Bevölkerungsanteil hat Kärnten einen geringeren Anteil an der Wertschöpfung.
  • Die Industrie wächst über dem Ö-Schnitt und ist gut durch die Corona-Krise gekommen. Der Spezialisierungsgrad ist aber zu gering und Kärnten zu wenig in wachstumsstarken Branchen vertreten. Schlüsselbranchen sind zu wenig in die regionale Wirtschaft eingebettet.
  • Österreich weist im internationalen Vergleich einen Digitalisierungsrückstand auf. In Kärnten gibt es keine Bestanderhebung dazu.
  • Exporte brachen schon vor Corona ein, es gibt keine schlüssige Erklärung dazu.
  • Kärntens Forschung hängt an zu wenigen Leitbetrieben, es gibt zu wenige forschende und entwickelnde Einheiten.
  • Kärnten leidet stärker als andere Regionen/Bundesländer unter Abwanderung, auch von Fachkräften.
  • Die Bedeutung der Industrie für den Wirtschaftsstandort wird innerhalb und außerhalb Kärntens tendenziell unterschätzt, Vielfalt und Qualität der Arbeitsplätze ebenfalls, das hat massive Auswirkungen auf die Rekrutierung von Fachkräften.


Fünf Handlungsfelder

Springer und Mischensky stellten anschließend die von Präsidium und Vorstand der IV Kärnten erarbeiteten Handlungsfelder vor:

  1. Im Handlungsfeld Wirtschafts- und Strukturpolitik ist es das Ziel, unter die Top drei der wachstumsstärksten Bundesländer vorzustoßen. Es geht um die konsequente Entwicklung von Wertschöpfungsketten in bestehenden Stärkefeldern, in Wachstums- und Schlüsselbranchen auch über den „Vernetzungs-Coach“. Weiter wichtig bleibt die Stärkung des Zentralraums! Die IV Kärnten fordert außerdem ein koordinierteres Vorgehen der Landesgesellschaften bei der Umsetzung der wirtschaftspolitischen Strategie. Eine deutlich aufgewertete Rolle sollte dabei das gut gestartete Standortmarketing einnehmen. Unter den Infrastrukturthemen sticht die Vorbereitung auf die wirtschaftlichen Konsequenzen der Fertigstellung der Koralmbahn hervor. Kärnten braucht dringend eine Bestandserhebung in Sachen Digitalisierung, danach eine Strategie für niederschwelligen Zugang. Kärnten und das Burgenland haben den höchsten Anteil an öffentlicher Verwaltung an der regionalen Wertschöpfung. Hier ist eine deutliche Effizienzsteigerung nötig. Gleichzeitig ist das Projekt „Kärnten unternehmensfreundlich“ fortzusetzen.
  2. Im Handlungsfeld „Bildung & Qualifikation“ ist es das Ziel, den Anteil der MINT-Absolventen zu steigern und eine positive Wanderungsbilanz bei Fachkräften zu erreichen. Die Zentralraumstrategie im tertiären Ausbildungsbereich (Uni-FH-Campus), die komplementär durch Bildungshubs in den Regionen ergänzt werden, sind hier ebenso wichtig wie die Hebung des Image der Lehre, die Verbesserung der Berufsorientierung, Brain-Gain-Initiative und weitere Forscherkindergärten.
  3. Im Handlungsfeld „Forschung & Innovation“ ist es das Ziel, die derzeit 220 forschenden Einheiten bis 2024 auf 350 (Österreichschnitt) zu steigern. Dazu sind folgende Maßnahmen vorgesehen: eine echte Kooperationskultur etablieren, Cluster bilden, Best Practice vermitteln, insgesamt über One-Stop-Shop, Forschungsombudsmann etc. einen niederschwelligeren Zugang zur Forschung zu ermöglichen, eine Lead-Partner-Facility für Forschungskooperationen von KMU etablieren.
  4. Im Handlungsfeld „Energie & Klima“ formiert sich ein Nukleus von Klimapionieren im Süden Österreichs (Steiermark, Kärnten), der sich ambitionierte Ziele setzt, Vorbild und Motivator für alle anderen ist. Die Kärntner Industrie ist bereit, sich an der konkreten Umsetzung von Projekten in den Bereichen Nutzung industrieller Abwärme, Photovoltaik (auf Freiflächen) und Windparks zu beteiligen.
  5. Im Handlungsfeld „Image des Industriestandorts“ ist es das Ziel, mehr junge Menschen von den positiven Zukunftsperspektiven und attraktiven Arbeitsplätzen in Kärnten zu überzeugen und sie dafür zu gewinnen. Dazu ist es nötig, schon vom Medieneinsatz auf jüngere Zielgruppen zu fokussieren, die Industrie insgesamt im Bild der Öffentlichkeit zu „reframen“ und mehr konkreten Einblick in die Betriebe zu bekommen.

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