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Standortmarketing dringend umsetzen!

IV-Umfrage zeigt durchwachsene Bilanz für den Industriestandort Kärnten. Der wenig zufriedenstellenden Standortpolitik stehen immerhin Fortschritte bei der Abwicklung von Genehmigungsverfahren gegenüber. IV Kärnten sieht Forderung nach Zentralraumstrategie und Neugestaltung des Standortmarketings bestätigt.

„Über 40 Prozent der befragten Kärntner Industrieunternehmen können der Kärntner Standortpolitik nichts abgewinnen. Das Standortmarketing wird sogar von über 60 Prozent negativ beurteilt“, legt Timo Springer, Präsident der Industriellenvereinigung Kärnten, das Ergebnis einer Umfrage unter Mitgliedsbetrieben (51 Firmen mit 12.704 Beschäftigten) auf den Tisch. Das sei eines so hoch entwickelten Industrie- und Technologiestandorts wie Kärnten unwürdig. Dies umso mehr, als die Bewertung der Standortpolitik gegenüber der letzten derartigen Umfrage im Jahr 2016 noch einmal deutlich verschlechtert habe. Das viel diskutierte neue Standortmarketing gehöre daher dringend umgesetzt.
Deutlich freundlicher hingegen die Einschätzung der Standortpolitik des Bundes: nur 10 Prozent stellen ihr ein schlechtes Zeugnis aus, aber dafür fast 21 Prozent ein gutes. In Richtung Regierungsverhandlungen fordert Springer im Namen der IV-Mitglieder vehement eine Steuerentlastung: fast zwei Drittel bezeichnen die Steuerbelastung insgesamt als nicht angemessen. Bei der steuerlichen Belastung der Arbeitskosten sind es mehr als die Hälfte.
Gar nicht zufrieden sind die befragten Unternehmen laut IV-Kärnten-Präsident mit den Chancen der Standortentwicklung im Sinne eines attraktiven, überregional ausstrahlenden wirtschaftlich-industriellen Zentrums. Alarmierende fast zwei Drittel finden, dass Kärnten keinen solchen Zentralraum besitzt. Das könne leider auch nicht durch überragend gute Werte in den Bereichen gesellschaftliche Stabilität und gute Lebens- bzw. Arbeitsbedingungen (jeweils fast 100 Prozent Zustimmung!) wettgemacht werden. Kärntens negative Wanderungsbilanz spreche da eine deutliche Sprache. 

Zentralraumstrategie
Springer fordert daher erneut eine offensive Zentralraumstrategie der „Twin-City“ Klagenfurt-Villach ein. Die Zeit, sich zu verzetteln sei vorbei. Nur ein starker, urban geprägter Zentralraum werde die Subzentren in den Bezirken überlebensfähig machen. Springer sieht hier konkreten Handlungsbedarf in zunächst drei Bereichen:
In Bildung und Forschung durch Etablierung eines Uni-FH-Campus und der Konzentration der angewandten Forschung im Zentralraum

  • Im Öffentlichen Verkehr über einen kundenfreundlichen Verkehrsverbund
  • In der Betriebsansiedlung durch u.a. den Ausbau von Wertschöpfungsketten und ein Startup Ökosystem

Springer räumte allerdings auch ein, dass es Bereiche gebe, in denen deutliche Fortschritte erzielt wurden. Offenbar zeigen Ankündigungen und Bemühungen, Verfahren zu beschleunigen bzw. die Verwaltung servicefreundlicher zu gestalten, Wirkung. 43 Prozent der befragten Betriebe finden, dass Verfahren rasch abgewickelt werden. Im Jahr 2016 lag dieser Wert noch bei 15 Prozent (weniger als die Hälfte!).
Bei der Infrastruktur habe sich vor allem die Verkehrsanbindung im Bereich „Straße“ dramatisch verschlechtert, so Springer. „Optimal“ sehen sich nur noch 37 Prozent der Betriebe versorgt. 2016 lag der Wert noch bei 72 Prozent. Leicht schlechter wird die Bahn gesehen, ebenso das Breitband-Internet. Die Flugverbindungen werden sogar leicht besser eingeschätzt als in der letzten Befragung.

Zu wenige Hochschul-Absolventen
IV-Kärnten-Geschäftsführerin Claudia Mischensky zeichnet ein durchwachsenes Bild von der Verfügbarkeit entsprechend qualifizierter Mitarbeiter. Während die Situation im Bereich der Facharbeit und Absolventen Höherer Schulen (Matura) noch durchaus zufriedenstellend ist, geben über 42 Prozent der Betriebe an, keine entsprechenden Graduierten von Uni und FH zu finden. Die Hochschulen am Standort werden hingegen deutlich besser eingeschätzt als zuletzt.
Die Motivation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird deutlich schlechter eingeschätzt als noch im Jahr 2016. Die Verfügbarkeit von Kinderbetreuungseinrichtungen (Qualität, Öffnungszeiten) hat sich gegenüber 2016 weiter verschlechtert. Mehr Augenmerk müsse in Zukunft wohl auch der Weiterbildung geschenkt werden, so Mischensky. Auch da ist für mehr als ein Drittel der Betriebe das Angebot ungenügend.

Wichtige Leitbetriebe
Anschließend kam Mischensky auf eine Leitbetriebe-Studie des Industriewissenschaftlichen Instituts (IWI) zu sprechen, die erneut die enorme Ausstrahlung von zwölf dieser industriellen Leitbetriebe*) auf den Standort Kärnten und die regionale Wirtschaft zeigt. Sie erzeugen direkte volkswirtschaftliche Effekte (nach der Methodik der Input-Output-Analyse) von 2,471 Mrd. Euro, die sich über indirekt Wirkungen gesamtwirtschaftlich auf über 6 Mrd. Euro erhöhen. Im Bereich der Beschäftigung werden so aus 20.635 direkt Beschäftigungsverhältnissen sogar fast 56.000! Profiteure der Industrie sind hier fast alle Branchen: von der Immobilienwirtschaft über den Tourismus, den Handel, die Finanzdienstleistungen, die Forschung bis hin zu den Leiharbeitsfirmen. Gar nicht zu reden von den fast zwei Mrd. Euro an Steuern und Abgaben, die diese 12 Leitbetriebe leisten. 
Zusammenfassend brachte die IV-Kärnten-Geschäftsführerin die Ergebnisse noch einmal auf den Punkt: 

  • Ein Euro Produktion im industriellen Leitbetrieb bewirkt gesamtwirtschaftlich in Österreich 2,07 Euro
  • Ein Euro Wertschöpfung im industriellen Leitbetrieb bewirkt gesamtwirtschaftlich in Österreich 2,45 Euro
  • Ein Mitarbeiter im industriellen Leitbetrieb bedingt gesamtwirtschaftlich in Österreich 2,71 Arbeitsplätze

*) Die in die Studie einbezogenen Leitbetriebe sind:

CHEMSON Polymer-Additive AG
Flextronics International Gesellschaft m.b.H.
FunderMax GmbH
Hirsch Armbänder GmbH
Infineon Technologies Austria AG
KELAG-Kärntner Elektrizitäts-Aktiengesellschaft
MAHLE Filtersysteme Austria GmbH
OMYA GmbH
STRABAG SE
SW Umwelttechnik Österreich GmbH
TREIBACHER INDUSTRIE AG
w&p Zement GmbH

 

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