Bei den Innovationsgesprächen der Innoregio Süd, einer Initiative von Industriellenvereinigung Kärnten und innoregio styria, trafen sich Montagabend rund 150 führende Vertreterinnen und Vertreter aus Industrie, Forschung und Politik bei der Infineon Technologies Austria AG in Villach. Im Mittelpunkt standen die Chancen der digitalen Transformation und die Dynamik des neuen Wirtschaftsraums zwischen Kärnten und Steiermark.
Wirtschaftsraum Süd: Digitalisierung und Koralmbahn als Standortchance

„Die digitale Transformation verändert unsere Industrie in einem Tempo, das wir vor wenigen Jahren kaum für möglich gehalten hätten“, betonte Timo Springer, Präsident der Industriellenvereinigung Kärnten, in seiner Eröffnungsrede. Künstliche Intelligenz, Data Sharing oder smartes Manufacturing seien längst keine Zukunftsthemen mehr, sondern würden bereits heute Wertschöpfungsprozesse, Geschäftsmodelle und internationalen Wettbewerb prägen. Entscheidend sei nun, „wie wir diese Technologien erfolgreich in unsere Unternehmen integrieren“. Dazu brauche es Mut zur Veränderung, Investitionsbereitschaft und vor allem Menschen, die den Wandel aktiv mitgestalten wollen, so Springer. Mit der Koralmbahn wachse ein Wirtschaftsraum, der Kärnten und die Steiermark näher zusammenrücken lasse als je zuvor. „Aber nur weil der Zug fährt, fährt die wirtschaftliche Entwicklung nicht automatisch mit. Es braucht gemeinsame Initiativen und klare Abstimmung.“
„Die Koralmbahn ist ein echter Gamechanger“, unterstrich auch Kurt Maier, Präsident der Industriellenvereinigung Steiermark und Vorsitzender der innoregio styria. „Sie schafft eine neue wirtschaftliche Agglomeration zwischen Graz und Klagenfurt mit dem Potenzial, zur zweitgrößten Metropolregion Österreichs zu werden.“ Kürzere Pendelzeiten, eine höhere Standortattraktivität und eine bessere Nutzung regionaler Arbeitskräfte würden Impulse für Innovation und Wachstum bringen. Damit diese Potenziale Realität werden, brauche es jedoch eine strategische Standortentwicklung, moderne Gewerbezonen und eine proaktive internationale Vermarktung des Wirtschaftsraums.
Beide Präsidenten hoben außerdem die Stärke der Region hervor: international erfolgreiche Industrieunternehmen, Spitzenforschungseinrichtungen wie Silicon Austria Labs, Fraunhofer, Joanneum Research, W3C, Lakeside Labs sowie leistungsfähige Hochschulen. Technologiereferentin Gaby Schaunig (SPÖ), verwies in ihrer Begrüßung auf die jahrelange Vorbereitung des neuen Wirtschaftsraumes: „Wir haben es geschafft, entlang dieser Strecke Innovation zu verankern, von Villach über St. Paul bis in die Steiermark - durch gemeinsame Forschungseinrichtungen, den Ankauf von Grundstücken und einer Wohnbaupolitik, die dieser Achse folgt.“ „Und wir haben als Regierungskollegium 116 Maßnahmen definiert, die im Hinblick auf den Start der Koralmbahn zu erledigen sind. In erster Linie geht es darum, wie wir die Verbindung hinaus in die Regionen bringen, und so einen Flächenvorteil schaffen“, erklärte Wirtschaftsreferent Sebastian Schuschnig (ÖVP). Und es brauche in Zusammenhang mit der Digitalisierung vor allem auch die entsprechende Infrastruktur und die Anbindung an internationale Datenverbindungen. „Bis 2029 errichten wir deshalb quer durch Kärnten 4500 Kilometer Glasfaserverbindungen.“
In ihrer Keynote zeigte Sabine Herlitschka, CEO der Infineon Technologies Austria AG, auf, wie sich Industrie digital transformieren kann: „Infineon blickt auf 55 Jahre gelebte Industriegeschichte zurück, von der verlängerten Werkbank zum forschungsstärksten Unternehmen Österreichs.“ Auf die Frage nach dem Erfolgsgeheimnis sagte sie: „Es sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zum Unternehmen stehen, und der Anspruch, die Antworten zu haben, wenn andere die Fragen stellen.“ Herlitschka betonte die Rolle von KI: „Wir setzen Künstliche Intelligenz bei Infineon gezielt ein, in der Produktion, in unseren Abläufen und wir stellen die Energieversorgung für Künstliche Intelligenz zur Verfügung.“ Dazu brauche es einen klaren Fokus: „Digitalisierung muss Komplexität lösen. Und dafür müssen Fähigkeiten, Talente und Datensicherheit im Mittelpunkt stehen.“
Alexander Windbichler, CEO von Anexia, forderte im Gespräch mit Moderator Thomas Cik von der Kleinen Zeitung, mehr europäische Unabhängigkeit:
„Europa braucht digitale Souveränität.“ Dazu gehören eigene Anbieter, eigene Infrastruktur und klare Regeln für internationale Plattformen. Er zeigte auf, was möglich wäre: „Rechenzentren mit 10 bis 30 Megawatt Leistung können wir in Kärnten problemlos bauen, wir brauchen dafür nur mehr Selbstbewusstsein.“ Wolfgang Pucher, Bildungsexperte der IV Kärnten und Verantwortlicher für den Kompetenzradar der IV Kärnten, erklärte: „Wir haben gemeinsam mit unseren Mitgliedsunternehmen erhoben, welche Kompetenzen vorhanden sind, und welche fehlen. Deutlich ist: Digitale Fachkompetenzen sind die größten Entwicklungsfelder.“ Genauso wichtig seien überfachliche Kompetenzen wie Problemlösungsfähigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Einsatzbereitschaft.
Johanna Pirker, Professorin für Informatik an der TU München, mahnte mehr Tempo ein: „Wir müssen viel schneller werden, und europäisch denken, nicht lokal.“
Ihre zentrale Botschaft: „Europa hat Top-Technologien, spannende Unternehmen und kluge Menschen. Aber wir dürfen uns nicht totregulieren.“ Und Heinz Mayer, Geschäftsführer von Joanneum Research, betonte die Bedeutung von MINT-Fächern und angewandter Forschung: „Wir haben spät begonnen, in MINT zu investieren, aber jetzt passiert viel. Entscheidend ist es, die richtigen Menschen zu gewinnen.“ Kooperationen seien heute außerdem Standard, kaum ein Forschungsprojekt passiere ohne Industriepartner. Nur so werde Forschung wirtschaftlich wirksam.
Die Geschäftsführerin der IV Kärnten, Claudia Mischensky, betonte in ihrem Fazit: „Die Wirtschaftsregion Süd verfügt über enormes Potenzial. Jetzt gilt es, sie mit klaren Schwerpunkten und gemeinsamer Positionierung weiterzuentwickeln. Und das werden wir nur mit viel Know-how und Strahlkraft schaffen.“ Die Wirtschaftsregion Süd soll zu dem Zentrum für Kompetenzentwicklung im digitalen Bereich werden, lautet ihre Forderung. Und auch Christoph Robinson, Geschäftsführer der IV Steiermark, unterstrich den Wert gemeinsamer Projekte: „Die Koralmbahn wird bestehende Kooperationen noch vertiefen. Was wir unter anderem brauchen, ist MINT-Nachwuchs, und erfolgreiche Modelle wie den ‚Science Garden‘ in der Steiermark, an dem alle Hochschulen mitwirken, können wir auf den Wirtschaftsraum Süd ausdehnen.“ Die Chancen würden auf dem Tisch liegen, jetzt gehe es darum, sie gemeinsam zu nutzen, lautete der Appell von allen.







































